Juli 2022 – Eigentlich wollten wir doch nur füttern…

Im vergangenen Jahr zog es uns im Familienurlaub auf die Insel Kreta und mich anschließend wieder einmal nach Andros. Dieses Jahr war Rhodos das Reiseziel. Wir mieteten ein Ferienhaus in Stegna direkt am Strand und ein Auto, kamen pünktlich an und fanden uns sofort im freundlichen Mittelmeerklima wieder.

Der Plan war auch diesmal, zuerst griechische Kultur und Gastfreundschaft zu genießen, dann würde die Familie wieder nach Hause fliegen und ich anschließend noch etwas mehr als eine Woche auf Andros mit „unseren“ Katzen verbringen. Und sollten sich an unserem Ferienhaus Streunerkatzen zeigen, würden wir sie selbstverständlich wie schon auf Kreta füttern.

Soweit so gut, und eigentlich kein Bericht für hier.

Aber die folgenden Tage gestalteten sich dann neben unseren eigentlichen Urlaubsaktivitäten zu einem Trainingsprogramm für die anschließende Andros-Tour, über das nun hier erzählt wird.

Am ersten Abend bereits erschienen Futtergäste, allen voran ein zahmer, überaus freundlicher Kater, erfreulicherweise kastriert, was ein Blick aufs Hinterteil und die bekannte Kerbe im Ohr ergaben:

Er wurde unser täglicher Frühstücks- und Abendgast (tagsüber verzog er sich auf andere Grundstücke und zu anderen Gästen, wie ein erfahrener Touristenkater das halt so macht).

Unsere beiden eigenen Kater Gold und Silver wussten wir zu Hause in erfahrenen Händen unserer Katzensitterin. Aber auch ein Ersatzkater braucht einen zumindest temporären Namen.

Auf unseren Ausflügen kamen wir öfter an diesem Schild vorbei, was unserer Urlaubsbekanntschaft den Namen „Watches“ einbrachte:

An jenem ersten Abend tauchte auch noch ein weiterer unkastrierter Kater an den Futtertellern auf – von Alter und Optik möglicherweise Watches’ Bruder, allerdings scheu:

Von Ferne nur zeigte sich ein dritter Kater, augenscheinlich älter und vorsichtiger.

Auch das wäre noch kein Grund, hier zu berichten. Wir wollten ja nur füttern, um den Streunern wenigstens ein paar Tage Erleichterung und Abwechslung von den bei den Restaurantbesuchern erbettelten Resten zu bieten…

Doch am nächsten Tag ließ uns der dritte, ältere Kater näher an sich heran, und uns stockte der Atem:

Ein wirklich alter Bursche, zerfurcht von zahlreichen Katerkämpfen, kaum noch Zähne im Maul, mit trübem Blick und faltiger Haut, die erahnen ließ, was für ein mächtiger Brocken früher darin steckte.

Die anderen Katzen trauten sich in seinem Beisein nicht an die Teller. Dazu mußte er nicht einmal fauchen, ein strenger Blick aus seinen alten Augen genügte vollkommen.

Er ließ sich von mir sogar ganz vorsichtig streicheln. Sein Fell war hart wie Draht, seine Haut wie Leder, und er beim Fressen immer auf der Hut vor einer falschen Bewegung des Urlaubers. Keine Katze, die man eben mal mit einem beherzten Griff ruhigstellen könnte!

Hier war uns sofort klar, dass wir nicht nur füttern, sondern helfen mussten!

Zuerst allerdings erhielt dieser zerschrammte, aber immer noch eindrucksvolle Haudrauf, der er früher einmal gewesen sein musste, von uns den Namen „Admiral“.

Doch wie nun weiter?

Ich hatte zwar meinen „Androskoffer“ mit allen Utensilien, darunter Boxen, Handschuhen, Tüchern und meinem Kescher dabei. Aber einfach drauflosfangen? Ohne Kenntnis der Gepflogenheiten auf Rhodos? Ohne zu wissen, wo und wie die Tierärzte hier arbeiten?

Ich habe daher das getan, was jeder Tourist tun sollte (und wie es uns auf Andros auch schon ging): einen Tierschutzverein finden, von den man die nötigen Informationen erhält.

So nahm ich Kontakt mit Andrea auf, der Vereinsvorsitzenden des Flying Cats e.V., ein Verein, der wie wir Auslandstierschutz betreibt, und zwar auf Fuerteventura und Rhodos.

Ich bekam nützliche Hinweise, die Fahrtroute zur und die Kontaktdaten der nächstgelegenen Tierarztpraxis (rund 5 Minuten entfernt im Nachbarort Archangelos) und auch die Information, dass derzeit von ihnen niemand direkt vor Ort ist. Aber wenn ich mir zutrauen würde, den Kater in den kommenden Tagen anzufüttern und in eine Box zu locken, dann gäbe es in der Nähe eine Griechin, die mir eine Box ausleihen könnte.

(Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt lediglich als „normaler“ Tourist vorgestellt, der mit seiner Familie einfach nur Urlaub am Strand macht. Andrea wusste daher nicht, dass hier jemand mit kompletter Katzenausstattung anreiste. Ahnt man ja auch wirklich nicht als erstes… Ich habe dieses Missverständnis erstmal schnell aufgeklärt, was zunächst für Heiterkeit und in den folgenden Tagen für einen herzlichen Austausch zwischen uns führte.)

Getreu meines Lebensmottos „ich bin gerne spontan, aber es muss gut vorbereitet sein“ schrieb ich dann gleich auch die Tierarztpraxis an, um die Modalitäten dort zu klären und ihnen den Admiral mit Text und Fotos schon mal vorzustellen. Auch hier entwickelte sich ein freundlicher Schriftwechsel mit den beiden Ärztinnen, inklusive der südländisch entspannten Ansage, dass ich einfach während der Öffnungszeiten vorbeikommen soll, wenn ich den Kater habe, und dann werde man weitersehen.

Blieb also nur noch, den Admiral von meinem Vorhaben zu überzeugen.

Derweil fütterten wir weiter täglich morgens und abends, …

… genossen Watches‘ Anwesenheit…

… und vergaßen auch eine Glückskatze nicht, die im Restaurant ihre Runden drehte:

Inzwischen kannten wir die Zeiten unserer Futtergäste.

Watches und sein vermutlicher Bruder lagen früh schon auf den Gartenmöbeln vorm Haus, warteten mein morgendliches Bad im Mittelmeer ab und verdrückten zusammen erstmal eine Dose Futter. Während unseres Frühstücks gabs dann nochmal Nachschlag. Ähnliche Mengen gingen abends über die Futtertheke.

Der Admiral kam nur abends, fraß auch nicht allzuviel und verzog sich nach einer kurzen Ruhepause wieder irgendwohin in sein Versteck. Ein Test mit Easypill noch ohne Medikamente nur als Leckerli funktionierte bestens. (Das Easypill mit dem Floh- und Zeckenmedikament am nächsten Tag ignorierte er gepflegt…)

Ich stellte daher eines Abends zum Angewöhnen eine Box vors Haus, neben die Futterteller. Der Erfolg stellte sich sofort ein, allerdings anders als gedacht!

Watches‘ unkastrierter Bruder, diese Neugiernase, spazierte ungeniert in die Box und sah sich deren Innenleben in aller Ruhe an, während ich danebenhockte. Ich brauchte nur die Boxentür leise zu schließen – und da saß er nun…

Natürlich ging es schnurstracks mit ihm zur Tierärztin, nicht ohne ihr vorher mitzuteilen, dass der jetzt anreisende Kater doch ein wenig anders aussieht als der angekündigte…

Watches‘ Bruder wurde am nächsten Vormittag kastriert und bekam wunschgemäß auch ein Spot on gegen Ungeziefer. Sie wollten ihn dann gern noch über Nacht dort behalten, um zu schauen, ob alles gut verläuft. Die Praxis macht einen sehr ordentlichen und das Team einen sehr kompetenten Eindruck, also ließ ich ihn dort, um ihn am übernächsten Vormittag abzuholen.

Um in der Namenslogik „Gold – Silver – Watches“ zu bleiben, heißt Watches‘ Bruder nun übrigens „Jewel“.

Inzwischen wurde mir die Zeit etwas knapp. Sollte mit dem Admiral was Ernsteres sein, wären wir nicht mehr lange genug auf Rhodos. Leckerlies und Box würdigte er keines Blickes, und für das Fangen mit dem Handtucheinwickeltrick erschien mir der Admiral zu ausgebufft und clever.

Als er an dem Tag auch recht früh am Nachmittag auftauchte, fackelte ich nicht lange, nahm den Kescher zu Hilfe und kaperte einen sichtlich überraschten Admiral.

Allerdings saß Jewel in der eigentlich für den Admiral vorgesehen stabileren Box, und die stand in der Tierarztpraxis.

Leider hat die Praxis genau an diesem einen Wochentag abends nicht geöffnet. Wir richteten uns also darauf ein, den intensiv nach Kater duftenden Admiral im Bad unterzubringen. Und das in einer etwas zierlicheren Box. So wurde das Paket noch in ein Netz eingewickelt und die Boxentür mit Kabelbindern gesichert. Er war zwar jetzt im beobachtenden, erstarrten Streunermodus, aber es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, wann er in der Stille der Nacht versucht, auszubrechen.

Ich versuchte dennoch, die Tierärztin zu erreichen. Glücklicherweise konnte zwar nicht sie, aber ihre Kollegin es einrichten, die Praxis nur für uns nochmal aufzuschließen.

Bis sie erschien, vertrieb ich mir die Wartezeit dort mit einem verschmusten, kastrierten Kater, der mir dann als ihr Praxiskater vorgestellt wurde:

Am Vormittag darauf holte ich Jewel ab, der seine Beobachtungszeit abgesessen hatte, und besprach mit der Ärztin Admirals Behandlung.

Jewel war inzwischen sichtlich genervt von seinem Aufenthalt dort: „Lass mich sofort raus, oder es setzt was!“

Das liebevoll bereitgestellte Frühstück wurde deshalb ignoriert, erst einmal in Sicherheit bringen!

Die folgende Nacht war leider kurz. Spätabends miepte irgendwo ein Kitten. Es beruhigte sich zwar, aber nachdem es irgendwann wieder ununterbrochen zu hören war, machten wir uns gegen vier Uhr morgens dann doch auf die Suche.

Hinter unserem Ferienhaus und dem daneben verläuft eine Bruchsteinmauer. Und genau von nebenan kamen die Geräusche. Wir sind also mit Taschenlampe auf das Nachbargrundstück geschlichen und fanden das Kätzchen glücklicherweise auch. Das Kleinteil muss versucht haben, an der Mauer hochzuklettern und ist wohl in einen Hohlraum gepurzelt. Dort saß es nun und fauchte mich an. Die Katzenmama war auch da, konnte aber nichts ausrichten.

Hier ganz hinten auf halber Höhe hockte das Kleine:

Zum Glück waren die Mauersteine lose, und ich konnte die Mauer soweit freilegen, bis Minikatz sich entschied, zu fliehen.

Die Katzenmutter war übrigens die Glückskatze aus dem Restaurant, die inzwischen auch immer mal wieder bei uns ihr Futter bekam.

Sie war zutraulich und freundlich wie Watches.

Es wäre ein Leichtes gewesen, sie ebenfalls kastrieren zu lassen. Denn unkastriert ist sie, wie ihr deutlich zu sehendes Gesäuge bewies.

Leider ist das aber auch der Grund, warum wir sie nicht eben mal zwei Tage für eine Kastra wegfangen können, abgesehen von ihrer zierlichen Statur, die alleine schon eine Kastration riskant erschienen ließ. Sie zeigte sich tags darauf auch mit ihrer Familie:

Andrea von den „Flying Cats“ hat mir aber versprochen, dass sie ein Auge darauf haben werden und versuchen, sie zum geeigneten Zeitpunkt kastrieren zu lassen, und die Kitten auch, wenn sie soweit sind. Dafür schon einmal Danke vorab!

Tags darauf konnte ich den Admiral wieder in Empfang nehmen – um einige Körperteile leichter. Denn er wurde nicht nur kastriert, sondern ein gesplitterter Backenzahn oben links und die Wurzelreste der abgebrochenen unteren Canini wurden gleich mit entfernt.

Die Ärztin schätzte ihn auf ungefähr 10 Jahre oder auch älter, was für eine Streunerkatze schon ein erstaunlich hohes Alter ist.

Versorgt mit Langzeit-Antibiotikum und Schmerzmitteln und ebenfalls recht missgelaunt zog er von dannen, das Frühstück ließ auch er unangetastet.

Abends war aber schon wieder alles vergessen. Der Admiral stromerte durch die Restaurants, wie die Katzenmama und Watches auch. Und kam spätabends sogar nochmal für einen kleinen Imbiss bei uns vorbei.

Jewel hat im Kreise seiner Mitkatzen ebenfalls wieder Appetit:

Watches ruht abends ab und an weiter bei uns:

Also eigentlich alles wieder wie am Anfang, als wir doch nur füttern wollten…

Rhodos ist nun um zwei kastrierte Katzen reicher und ich um die Erfahrung, dass auch anderswo Tierschutzvereine tätig sind, die einen mit Rat und Informationen unterstützen, wenn schon niemand vor Ort ist.

Den „Flying Cats“ wünsche ich für ihre Arbeit alles Gute und neben all den Herausforderungen, die der Tierschutz bereithält, auch weiterhin viele schöne und glückliche Momente des Erfolgs!

 
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